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Es ist so weit: Der Gesetzgeber hat das Betriebsverfassungsgesetz um mehr Mitsprache bei wichtigen aktuellen Themen erweitert: Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz stärkt die Mitbestimmung insbesondere bei Spielregeln für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Auch Weiterbildungsstrategien und „Skill-Shift“ der Belegschaft sowie gesundes mobiles Arbeiten im Homeoffice rücken in den Fokus.

Ein Kommentar von Thomas M. Steins

Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Elfmeter für Betriebsräte.
Rote Karte für fehlendes Know-how: Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz können Betriebsräte die Vorlage des Gesetzgebers verwandeln.

Mitbestimmung in turbulenten Zeiten: Betriebsräte besonders gefordert

Unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem stehen vor enormen Herausforderungen. Diese sind in nahezu jedem Unternehmen spürbar. Denn die Zeiten des digitalen Wandels verlangen von den Betriebspartnern echte und tragfähige Lösungen. Und das alles bitte in exorbitant hoher Geschwindigkeit.

Immer wieder gesellen sich neben die Chancen für die Belegschaften auch harte Einschnitte bei Reorganisation, Kürzungen von betrieblichen Leistungen und Stellenabbau. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie haben diesen Trend in vielen Branchen weiter verschärft, von denen auch die Unternehmenslenker kalt erwischt wurden.

Gerade weil der Umbruch um sich greift, werden Betriebsräte immer wichtiger. Und doch gelingt es vielen Mitbestimmungsgremien noch nicht vollumfassend, die Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Und bei der Rollenerfüllung als nachhaltiges Korrektiv unternehmerischer Entscheidungen voll in die Kraft zu kommen.

Überblick behalten: „Betriebsratsarbeit ist wie Fußballspielen“

Zweifellos sind die meisten, die das Ehrenamt „Betriebsrat“ wahrnehmen, motiviert, sich mit Engagement und Tatkraft für Kolleginnen und Kollegen einzusetzen. Die Erfahrung zeigt jedoch auch, dass häufig die notwendigen Werkzeuge fehlen. Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz füllt sich der Werkzeugkasten der Mitbestimmungsgremien nun um wichtige Tools. Sie sind notwendig, um handlungsfähig zu bleiben.

Spätestens jetzt sollte sich jeder Betriebsrat auf den Weg machen, eine eigene Digitalisierungsstrategie zu entwickeln. Nur so lassen sich wichtige Handlungsfelder priorisieren. Und damit gelingt es, Anliegen im Rahmen der betriebspartnerschaftlichen Gestaltung im digitalen Wandel proaktiv zu lösen.

Wie der Betriebsrat dabei selbst ins Spiel kommt und die Vorlage des Gesetzgebers in einen Treffer für Belegschaft und Mitbestimmung verwandelt, beschreibe ich in meinem Buch: „Betriebsratsarbeit ist wie Fußballspielen – Trainingseinheiten in Zeiten der digitalen Transformation“. Es ist im Marian Prill Verlag erschienen.

Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Der Betriebsrat als soziales Korrektiv

Die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sollte stets auf einer vertrauensvollen Basis aufsetzen. Das ist nicht neu. Neu ist allerdings, dass mit der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes und dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz die Betriebsparteien explizit auf die Option hingewiesen werden, in puncto digitalem Wandel mit einem gemeinsamen Sachverständigen zu arbeiten.

Das Zusammenbringen der Anliegen des Betriebsrats als Interessenvertreter der Belegschaft und der Anliegen des Arbeitgebers als Interessenvertreter der Eigentümer im Sinne einer nachhaltigen Sicherung des Unternehmenserfolgs gelingt dabei nur bei jeweiliger Rollenklarheit und -akzeptanz.

Um dauerhaft am Markt bestehen zu können, ist ein Dialog der Betriebspartner unabdingbar. Es muss geklärt werden, wo die gemeinsamen Interessen bei der Zukunftssicherung liegen und vor allem, wie das Wohl des Unternehmens und der Belegschaft auf lange Sicht in Einklang gebracht und gesteigert werden können. Der Betriebsrat sollte dabei als soziales Korrektiv, als Innovator und Impulsgeber zum Sparringspartner für den Arbeitgeber werden.

Der Wandel, der sich durch die neuen Arbeitswelten vollzieht, wirkt sich massiv auf die Beschäftigten aus. Sie konkurrieren unter Umständen mit Freelancern, die von den entlegensten Winkeln der Erde verschiedene Tätigkeiten erledigen. Gerade die Generation Z stellt für Personaler bekanntlich eine besonders herausfordernde Zielgruppe dar, die stets befürworten würde, die Arbeit um das eigene Privatleben herum zu gestalten. Dies wird von älteren Kolleginnen und Kollegen nicht selten argwöhnisch beäugt. Deren Arbeitseinstellung ist eine völlig andere.

Und wie verbindet man diese Welten miteinander? Mit intelligenten Personalentwicklungskonzepten, die vom Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit einem guten Betriebsrat an seiner Seite entwickelt und umgesetzt werden, da dieser Ideen und das Ohr am Wasser hat und weiß, was die Beschäftigten motiviert.

Betriebsrat oder Geheimrat?

Ein Arbeitgeber zieht langfristig keinen Nutzen daraus, vom Betriebsrat schnell eine Betriebsvereinbarung unterschrieben zu bekommen, wenn die Belegschaft anschließend die darin geregelten Prozesse weder akzeptiert noch lebt. Totes Papier braucht niemand. Und auch der Betriebsrat hat nichts davon, wenn er die Belegschaft nicht ausreichend informiert und mitnimmt. Somit bildet sich ein Vakuum zwischen dem gewählten Gremium und denen, die die Interessensvertretung legitimieren.

Akzeptanz für den Wandel erhalten Betriebsräte nur, wenn es ihnen gelingt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu überzeugen. Dazu braucht es auch einen überzeugten Betriebsrat, der gemeinsam mit dem Arbeitgeber handelt. Und das wiederum funktioniert nur, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat auch vernünftig einbindet.

Anwendung Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Wechselspiel zwischen Verantwortlichkeit und gelebter Verantwortung

Ein guter Betriebsrat duckts sich vor den großen Herausforderungen nicht weg. Er ist gefordert, seine Haltung zu überdenken und gegebenenfalls zu ändern. Nicht vergessen: Wer in den Betriebsrat gewählt wird, wechselt in eine neue, komplexe Rolle. Das bedeutet, idealerweise zum proaktiven Gestalter oder zur Botschafterin menschenzentrierten Wandels zu werden.

An dieser Stelle sind viele Fragen ein guter Anfang: Wie werden bestimmte Punkte auf der Agenda verfolgt und umgesetzt? In welche Richtung strebt die wirtschaftliche Entwicklung? Welche Rolle nimmt der Datenschutz ein? Wie sieht es mit der Betriebsgesundheit aus und welche Ziele stehen bei der Personalentwicklung auf der Agenda? Spätestens mit dem neuen Jahrzehnt sind die Zeiten Geschichte, in denen Betriebsräte passiv und reaktiv agieren konnten.

Betriebsratsarbeit lässt sich digitalisieren. Und Betriebsratsarbeit lässt sich deutlich transparenter und offensiver gestalten als je zuvor. Genau deswegen sollte dies auch der Anspruch sein. Projektmanagement-Software unterstützt Gremien beispielsweise dabei, verstärkt arbeitsteilig zu arbeiten und vielleicht auch selbst agiler zu werden.

Oder um es im Fußball-Jargon auszudrücken: Der Betriebsrat ist voll im Spiel. Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt: Jeder Betriebsrat sollte diese Vorlage des Gesetzgebers jetzt in einen Treffer für eine mitbestimmte Digitalisierungsstrategie verwandeln.

>>Über den Autor Thomas M. Steins

Thomas M. Steins unterstützt Betriebsräte bei tragfähigen, sozial und ökonomisch nachhaltigeren Alternativkonzepten sowie als Berater und Verhandlungsführer beim Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan. Im Kontext der digitalen Transformation vor dem Hintergrund des neuen Betriebsrätemodernisierungsgesetzes leitet der Strategieberater, Mitbegründer und Geschäftsführer des CAIDAO Instituts für Betriebsratsberatung betriebspartnerschaftliche Projekte an der Schnittstelle von Personal- und Organisationsentwicklung sowie Strategie- und Kommunikationsberatung.

Am 8. März feiern Menschen rund um den Erdball den Internationalen Frauentag. Doch kollidiert dieser Ehrentag nicht mit der Gleichberechtigung? Das Thema ist in aller Munde. Müsste der Frauentag oder der Frauenkampftag, wie er früher auch genannt wurde, nicht eigentlich abgeschafft werden? Schließlich stigmatisiert er das vermeintlich schwächere Geschlecht.

Römischer Brunnen

Die Geschichte des Frauentags

Im 19 Jahrhundert war es Frauen verboten, an Wahlen teilzunehmen. Akteurinnen des Sozialismus kämpften für Gleichberechtigung und gleiches Stimmrecht an den Wahlurnen und gewannen. Im 20 Jahrhundert wurde die Rolle der Frau zunehmend gestärkt. Und im 21. Jahrhundert dürfen Frauen nicht nur wählen, sondern stehen Männern kaum noch in etwas nach. Das führt zur Frage:

Wäre es nicht sinnvoll, den Frauentag abzuschaffen?

Oder noch besser: Sollte er nicht in den „Tag der Selbstverantwortung“ umbenannt werden? In Zeiten, in denen Individualität lange an höchster Stelle stand, drängt sich die Frage auf, wie nützlich die Diskussionen über Gleichberechtigung eigentlich sind. Und wenn schon von gleichen Rechten die Rede ist, übernehmen dann auch alle die gleichen Pflichten? Ist Gleichberechtigung wirklich so wünschenswert, wie man und frau reflexartig im ersten Moment meinen könnte? Ist es nicht an der Zeit, den Begriff Gleichberechtigung zu definieren? 

Was bedeutet Gleichberechtigung eigentlich?

Die Worte „Gleich“ und „Recht“ sind in Gleichberechtigung verankert. Gleiches Recht für alle – eine Losung, die häufig diejenigen einfordern, die sich im Nachteil sehen. Doch wie weit sind wir tatsächlich von der Gleichberechtigung entfernt und geht es hier nur um Mitbestimmung? Das Wahlrecht ist längst umgesetzt. Geht es also um gleiche Löhne? Was unterscheidet Frauen von Männern in puncto Gleichberechtigung heute wirklich noch?

Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage gibt es nicht. Doch wer sich dem Thema nähern möchte, kommt nicht daran vorbei, bei sich selbst anzufangen und die eigene Einstellung zu prüfen. Sicherlich schadet dabei auch nicht die gedankliche Stippvisite bei denen, die längst mit sich selbst im Einklang leben. Sie sind meilenweit davon entfernt, andere für eigene Missstände verantwortlich zu machen.

„Das Gegenteil von fehlerfrei“ – Gespräch mit Autorin Ute Keller

Und was hindert die Unzufriedenen? Mangelt es ihnen an Selbstverantwortung? Ist Selbstverantwortung zu übernehmen, erlernbar?  

Autorin Ute Keller, gibt in ihrem Buch „Das Gegenteil von fehlerfrei“ Anhaltspunkte darüber, zu sich selbst zu finden. Gleich zu Beginn ihres Buchs, zieht die 1960 geborene Heilpraktikerin, Hypnosetherapeutin und Psychopädin den Römischen Brunnen als Bild heran (siehe Video unten). Aus dem gleichnamigen Gedicht von Conrad Ferdinand Meyer (1882) leitet die Buchautorin ab, dass Selbstverantwortung und die Liebe zu sich selbst über allem anderen stehen sollten.

Am Rande bemerkt: Ute Keller ist nicht nur eine Frau vieler Worte, sie setzt auch selbst um. Auf der Frankfurter Buchmesse übernahm sie 2019 den Messestand der Koreaner, um Testleserinnen und -leser zu finden.

Folgt man nun der Autorin durch ihr erstes Buchkapitel und wendet die Erkenntnisse auf die Forderung nach Gleichberechtigung an, dann müssten diejenigen, die nach Gleichberechtigung streben, die Umbenennung von „Internationaler Frauentag“ in „Internationaler Tag der Selbstverantwortung“ befürworten.